Pressemitteilung

Bundesgesundheitsministerium plant Verschlechterung der Patientenversorgung
KVN: „Abschaffung der Neupatientenregelung ist ein Schlag ins Gesicht der Patientinnen und Patienten.“
Die niedersächsischen Kassenärztinnen und Kassenärzte warnen vor den Nachteilen für Patientinnen und Patienten durch die geplanten Sparmaßnahmen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für die gesetzliche Krankenversicherung. Um das milliardenschwere Defizit der Krankenkassen zu stabilisieren, plant der SPD-Politiker unter anderem den Wegfall der Neupatientenregelung.
„Der Bundesgesundheitsminister will die Versorgung der Bevölkerung einschränken. Sein geplantes GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist ein Schlag ins Gesicht der Patientinnen und Patienten in Deutschland. Und das müssen wir den Menschen auch so sagen.“ Dies war der Tenor der Sitzung der Mitglieder der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) und der ärztlichen Berufsverbandsvorsitzenden am 30. August in Hannover.
Im Gesetz ist vorgesehen, dass die mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingeführte Neupatientenregelung gekippt und die Leistungen der sogenannten offenen Sprechstunde einer unbefristeten Bereinigung der ärztlichen Gesamtvergütung unterliegen sollen.
„Der Minister behauptet, die Neupatientenregelung hat nichts gebracht. Das stimmt einfach nicht. Nach Zahlen der KVN hat aktuell mehr als jeder vierte gesetzlich versicherte Patient von der Regelung profitiert. Im ersten Quartal 2022 sind in den niedersächsischen Praxen rund 2,2 Millionen Neupatienten behandelt worden – deutlich mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres“, sagte der Vorstandsvorsitzende der KVN, Mark Barjenbruch.
Barjenbruch weiter: „Mit diesem Gesetz konterkariert der Minister den Koalitionsvertrag, nach dem die ambulante Versorgung gestärkt werden soll. Dabei ist es Lauterbach selbst gewesen, der sich für die Regelung stark gemacht hat. Nun wird es so sein, dass die Ärztinnen und Ärzte gar nicht mehr anders können, als ihr Terminangebot in den Praxen zurückzufahren. Die Neupatientenregelung hat den Praxen nicht mehr Geld eingebracht. Sie haben nur den vollen Betrag für ihre Leistungen ohne Abzüge bezahlt bekommen.“
Der KVN--Vorstand kündigte an, sich mit den anderen Kassenärztlichen Vereinigungen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Berufsverbänden zum weiteren Vorgehen zu beraten und abzustimmen. Dies wird am 9. September in Berlin der Fall sein. Barjenbruch und Berling appellierten nochmals an alle KVN-Mitglieder, den offenen Brief der KVen und der KBV an Minister Lauterbach zu unterzeichnen, in denen sie sich gegen die Streichung der Neupatientenregelung aussprechen. „Nutzen Sie die Chancen und setzen ein sichtbares Zeichen gegen Leistungskürzungen“, so der Appell.
„Es ist ein fatales Signal, dass wir uns auf den politisch gesetzten Rahmen nicht mehr verlassen können. Die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen haben unter größten Mühen ihren Praxisbetrieb umorganisiert und neue Termine geschaffen. Nun wird das mit einem Federstrich wieder zunichtegemacht. Dieser Vertrauensbruch seitens der Politik wird noch lange nachwirken“, erklärte der stellvertretende KVN-Vorstand, Dr. Jörg Berling.
„Die Wertschätzung für die enorme Arbeitsleistung der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen tendiert sowohl bei Politik als auch Krankenkassen gegen Null. Der Bundesgesundheitsminister will die Neupatientenregelung kippen und die Krankenkassen wollen sogar Nullrunden bei den Honorarsteigerungen für das kommende Jahr ansetzen. Gleichzeitig haben die Praxen mit enormen Kostensteigerungen durch die Inflationsrate von acht Prozent zu kämpfen. Doch immer mehr Leistung für weniger Geld funktioniert nicht. Den Kolleginnen und Kollegen würde ja vor diesem Hintergrund gar nichts anderes übrig bleiben, als Leistungen herunterzufahren“, führte Berling aus.
„Die außerbudgetären Vergütungen für Ärztinnen und Ärzte sind sinnvoll, da gerade neue Patientinnen und Patienten viel Arbeit machen und mehr Zeit in Anspruch nehmen. Wenn eine unterbezahlte Leistung besser bezahlt wird, ist das richtig, zumal Versicherte, wenn sie derzeit keine Ärzte finden, zur Behandlung in die Krankenhäuser ausweichen“, so Berling.
Zum Hintergrund:
Die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD hatte mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz vor drei Jahren mehrere Regelungen als Reaktion auf die vermeintlich langen Wartezeiten auf einen Arzttermin eingeführt. Ein Anliegen war es unter anderem, dass auch Patientinnen und Patienten, die keinen „festen“ Hausarzt oder Facharzt haben, schneller einen Termin bekommen. Zugleich wurden Fachärztinnen und Fachärzte ausgewählter Fachgruppen verpflichtet, mindestens fünf offene Sprechstunden pro Woche anzubieten. Im Gegenzug werden die Leistungen ohne Mengenbegrenzung vergütet.