Neujahrsempfänge in den Bezirksstellen Stade und Wilhelmshaven
Ärztemangel auf dem Land, steigende Krankenkassenbeiträge sowie unzufriedene Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten aufgrund der politischen Rahmenbedingungen. Beim Neujahrsempfang der Bezirksstelle Stade der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) gab es eine Menge Gesprächsbedarf - Neujahrsempfang auch in Wilhelmshaven
Dr. Stephan Brune, Bezirksausschussvorsitzender der Bezirksstelle (im Bild 2. von links), begrüßte als Gastgeber Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi (im Bild 2. von rechts, den Vorstandsvorsitzenden der AOK Niedersachsen, Dr. Jürgen Peter (im Bild links), und Mark Barjenbruch, Vorstandsvorsitzender der KVN (im Bild rechts)
Minister Philippi war trotz der angespannten Lage im Gesundheitswesen positiv gestimmt. Es gebe zwar das Gefühl des Mangels in vielen Bereichen, aber Niedersachsen befinde sich mit innovativen Lösungen auf dem richtigen Weg hin zur Verbesserung der medizinischen Versorgung. Dazu trage auch die KVN bei. Da sei beispielsweise die Neustrukturierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes unter der Rufnummer 116 117 mit Schnittstelle zur 112, um die Notfallmedizin zu entlasten und die Einsätze besser zu koordinieren. Philippi wörtlich: „Das große Besteck brauchen wir nur in zehn Prozent der Fälle im Notdienst.“ Auch der Einsatz nichtärztlicher Fachkräfte im Bereitschaftsdienst - so wie es die KVN plane - sei eine gute Option. Und die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA), die sich allerdings erst noch in der Praxis bewähren müsse, könne zur Entlastung und zugleich zur Verbesserung der Versorgung beitragen.
Minister Philippi unterstützte die Forderung der KVN mehr Medizinstudienplätze in Niedersachsen zu schaffen. Es müssten zusätzliche Studienplätze für Mediziner geschaffen werden, parallel zu einem Aktionsplan gegen den Hausarztmangel. Die Regionalen Versorgungszentren (RVZ) zur ambulanten Behandlung von Patienten sollen weiter ausgebaut werden, ebenso die Telemedizin. „Die Ambulantisierung ist wegweisend und der Schlüssel für die Versorgung. Sie entlastet und schont Ressourcen“, sagte Philippi. Auf der anderen Seite werde die Krankenhausreform die ländliche Krankenhauslandschaft sichern. „Die Landesregierung beabsichtigt, ein starkes, verlässliches und gerechtes Gesundheitssystem zu schaffen“, so der Minister.
Dr. Brune äußerte Zweifel. „Die Kosten im Gesundheitswesen explodieren, die Wartezeiten werden immer länger.“ Aus seiner Sicht seien die Krankenhäuser die größten Kostentreiber: „Sie sind nur zu zwei Dritteln ausgelastet und müssen teuer subventioniert werden.“ Ein weiterer Kostentreiber: Die Arzneimittelkosten. Dagegen sei der ambulante Sektor relativ „preisgünstig“.
Für AOK-Chef Peter gibt es für diese Gemengelage mehrere Ursachen. „Wir haben teils Überversorgung, teils Fehl- und teils Unterversorgung. Wir brauchen eine bessere Steuerung.“ Er sieht durchaus Ressourcen, wenn es Strukturreformen gebe, etwa ein primärärztliches Steuerungsmodell - also eine hausarztzentrierte Versorgung -, eine sektorenübergreifende Versorgung und Bürokratieabbau durch Digitalisierung. Peter ist überzeugt, dass das System in einer Übergangsphase steckt und die Effekte der Maßnahmen in zwei bis drei Jahren sichtbar werden, um dann die enormen Steigerungen der Beitragssätze auf längere Sicht wieder einholen zu können. Dazu sei allerdings auch der Abbau der versicherungsfremden Leistungen in den gesetzlichen Krankenkassen dringend erforderlich, so Dr. Peter.
Der Umbau des Systems werde zunächst einmal Geld kosten, bevor die Einspareffekte sichtbar würden, so Minister Philippi. Der Einsatz der öffentlichen Mittel müsse nun zielgenau priorisiert werden, denn „die Zeiten, in denen wir das Geld verteilen konnten, sind vorbei."
Nach den Bedarfsplanungszahlen können sich rein rechnerisch in vielen Regionen Niedersachsens Hausärztinnen und Hausärzte, insbesondere auf dem Land, niederlassen. Die große Herausforderung besteht darin, die freien Sitze auch tatsächlich zu besetzen. „Als KVN werden wir das nur in enger Partnerschaft mit allen Beteiligten schaffen. Die Sicherstellung der ambulanten Versorgung in Niedersachsen wird in Zukunft anders werden“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der KVN, Mark Barjenbruch.
Barjenbruch erneuert die Forderung an die Landespolitik, zügig für mehr Studienplätze im Fach Humanmedizin zu sorgen. Auch müsse es in Zukunft eine echte Patientensteuerung geben. Auch er könne sich ein Primärarztmodell vorstellen. Die Bürokratie fresse außerdem wichtige Patientenzeit. „Die Bürokratie hat erheblich zugenommen. Und das betrifft offenbar alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Inzwischen wendet jeder niedergelassene Arzt durchschnittlich 61 Arbeitstage pro Jahr für Verwaltungstätigkeiten auf“, so der VV-Vorsitzende.