KVN-Vorständin Nicole Löhr: „Die Krankenkassen wollen an den etablierten ambulanten Versorgungsstrukturen vorbei Teile der Patientenbehandlung übernehmen. Das ist nicht ihre Aufgabe!“
Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) hat heute in Hannover das aktuelle Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes zu einer „Digitalstrategie für eine zukunftsgerichtete Gesundheitsversorgung“ kritisiert.
Nicole Löhr, KVN-Vorständin und Digitalisierungsexpertin: „Die Krankenkassen wollen an den etablierten ambulanten Versorgungsstrukturen vorbei Teile der Patientenbehandlung übernehmen. Sie sehen sich in Zukunft als Therapieanbieter und Leistungserbringer. Das ist nicht ihre Aufgabe!“
Die Krankenkassen fordern in ihrer neuen Digitalstrategie deutlich erweiterte Rechte: von tagesaktuellen Patientendaten über KI-gestützte Präventionsangebote bis hin zu einer bundesweiten Plattform, auf der alle Praxen freie Termine melden müssen. Herzstück der Forderungen ist ein stark ausgebauter Zugriff auf Versorgungsdaten. Künftig sollen Krankenkassen Diagnosen und Leistungsdaten taggleich erhalten, um Versicherten personalisierte Präventions- und Versorgungsangebote anbieten zu können.
„Die Vorstellungen des GKV-Spitzenverbandes, im Zuge der Digitalisierung mehr Aufgaben in der Gesundheitsversorgung zu übernehmen, stellt aus Sicht der KVN das über Jahrzehnte geltende Prinzip der gemeinsamen Selbstverwaltung und der damit einhergehenden Aufgabenverteilung zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern infrage“, so Löhr.
Die gewünschte neue Rolle der Krankenkassen verändere das deutsche Gesundheitssystem in Richtung eines Krankenkassen-dominierten Systems mit neuen Prioritäten – denen der alleinigen Kosteneinsparungen bei der Versichertenversorgung.
Kein Zugriff auf Patientendaten in der ePA durch Krankenkassen
„Außerdem wollen die Krankenkassen zukünftig individuelle Patientendaten aus der ePA nutzen. Die Krankenkassen haben bisher keinen Zugriff auf Daten in der ePA. Das ist auch gut so. Das Patientengeheimnis und die ärztliche Schweigepflicht sind die rechtliche und ethische Pflicht von Ärztinnen und Ärzten und medizinischem Personal, alle Informationen über einen Patienten streng vertraulich zu behandeln und nicht weiterzugeben. Personalisierte Patientendaten gehören nicht in die Hände von Krankenkassen“, sagte KVN-Vorständin Löhr.
„Es ist darüber hinaus zu erwarten, dass nur die mitgliederstarken Krankenkassen ihre Größenvorteile bei ihrer Digitalisierungsstrategie nutzen werden. Unter anderem verfügen sie über höhere Finanzreserven, um digitale Innovationen zu entwickeln oder entwickeln zu lassen. Die Möglichkeiten, Versorgung zu steuern und versichertenspezifische digitale Anwendungen anzubieten, wird so zunehmend auch zum Wettbewerbsfaktor und Marketinginstrument in der Konkurrenz der Krankenkassen untereinander – allerdings nicht zum Wohle der Versicherten“, so Löhr.
Krankenkassen sollten keine digitalen Geschäftsmodelle entwickeln und anbieten. Aus Sicht der KVN sollte jede Erweiterung von Handlungsspielräumen im Gesundheitswesen für alle Beteiligten gleichermaßen ausgewogen erfolgen – insbesondere auch für die Ärzteschaft.
