KVN-Vorsitzender Mark Barjenbruch: „Kürzungen im ambulanten Bereich sind mit uns nicht zu machen.“
Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) hat sich heute in Hannover ablehnend zu den Sparvorschlägen des GKV-Spitzenverbandes für den ambulanten Gesundheitsbereich positioniert.
„Die ambulante Gesundheitsversorgung ist die tragende Säule in unserem Gesundheitswesen. 97 Prozent aller Behandlungsfälle werden in Praxen von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten versorgt, aber nur 16 Prozent der GKV-Leistungsausgaben entfallen auf Arzt- und Psychotherapeutenpraxen. Im Jahr 2014 lagen die durchschnittlichen Ausgaben pro Patienten in der Praxis bei 716 Euro – im Krankenhaus bei 9.465 Euro. Die drei Prozent Behandlungsfälle im Krankenhaus machen demnach 33 Prozent der GKV-Leistungsausgaben aus. Kürzungen im ambulanten Bereich sind mit uns nicht zu machen“, sagte der KVN-Vorstandsvorsitzende, Mark Barjenbruch.
Besonders kritisierte der KVN-Vorstand folgende GKV-Vorschläge:
- Die Rücknahme der Entbudgetierung der haus- und kinderärztlichen Leistungen.
- Die Streichung der Zuschläge zur schnelleren Terminvergabe von Facharztterminen.
- Die Streichung der extrabudgetären Vergütung für die Behandlung in sogenannten offenen Sprechstunden.
- Die Aufhebung der Förderung der Kurzzeittherapie der psychotherapeutischen Leistungen.
Der stellvertretende KVN-Vorstand, Thorsten Schmidt, warnte ebenfalls vor weiteren Sparmaßnahmen im ambulanten Bereich der Gesundheitsversorgung. „Die Forderungen der Krankenkassen nach Einsparungen sind kurzsichtig und gefährlich. Sie untergraben die wirtschaftliche Basis der Praxen und riskieren, dass Patientinnen und Patienten länger auf Termine warten oder unnötig in Kliniken eingewiesen werden. Schnelle Termine für viele Patientinnen und Patienten in den sowieso bereits stark frequentierten Praxen würden durch die Rücknahme der Entbudgetierung und der Hausarztvermittlungsfälle kaum mehr realisierbar sein. Die Behauptung der Kassen, dass die Entbudgetierung im hausärztlichen Bereich nichts bringe ist absurd, sie hat erst in diesem Quartal begonnen. Niemand kann also bereits jetzt Schlussfolgerungen ziehen. Die Forderungen des GKV-Spitzenverbandes entbehren jeglicher Grundlage“, so Schmidt.
Der KVN-Vorstand bewertet einige Vorschläge der Krankenkassen durchaus positiv:
- Sparmaßnahmen wie die Befreiung der Krankenkassen von der Kostenübernahme für versicherungsfremden Leistungen.
- Übernahme der Kosten für Bürgergeldbeziehende durch den Bund.
- Die Verschärfung der Preisregulierung bei der Pharmaindustrie.
- Die Erhöhung des Zwangsrabatts der Pharmaindustrie für die GKV.
- Die Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Arzneimittel und Hilfsmittel.
Der KVN-Vorstand vermisst bei den Vorschlägen des GKV-Spitzenverbandes folgende Punkte:
- Die Förderung der Ambulantisierung zur Kostenreduktion.
- Die Abschaffung teurer und medizinisch fragwürdiger Satzungsleistungen der Krankenkassen.
„Die KVN bestreitet nicht, dass Reformen im Gesundheitswesen dringend nötig sind. Wenn man allerdings inhaltlich sinnvoll reformieren will, macht es Sinn, mit denjenigen zu sprechen, die diese Reformen umsetzen müssen - den Ärztinnen und Ärzten und Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Auch die Verantwortungsbereitschaft der Versicherten muss einbezogen werden“, forderte der KVN-Vorsitzende Barjenbruch.
Zum Hintergrund:
Der GKV-Spitzenverband fordert von der Politik massive Einsparungen von bis zu 50 Milliarden Euro, um den Anstieg der Krankenkassenbeiträge in den kommenden Jahren zu verhindern. Sparpotenzial sieht der GKV-Spitzenverband demnach in allen bedeutenden Bereichen des Gesundheitssystems: im Krankenhaussektor, bei den Arzneimitteln, in der Hilfsmittelversorgung und auch im ambulanten Bereich. Das von der Politik im Vermittlungsausschuss konstruierte „kleine Sparpaket“ (zwei Milliarden Euro) reiche nicht aus.
