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KBV-Vertreterversammlung beschließt Konzept zur Patientensteuerung​

KBV-Vertreterversammlung beschließt Konzept zur Patientensteuerung

Digital und nah: Positionen zur Digitalisierung

Vor dem Hintergrund des im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vereinbarten Primärarztsystems hat die KBV-Vertreterversammlung am 26. Mai in Leipzig ein eigenes Konzept zur Patientensteuerung beschlossen. Es enthält Vorschläge, wie eine Patientensteuerung in der Notfall-, Akut- und Regelversorgung aussehen kann.

 

„Das Thema Steuerung wird ein politisches Kernthema für die neue Legislatur“, kündigte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Andreas Gassen, bei seiner Rede vor der Vertreterversammlung an. Mit den Vorschlägen der KBV liege ein „schlüssiges und gangbares Konzept“ vor, wie ein primärärztliches System - ergänzt durch die 116117 als Vermittlungsplattform - gelingen könne.

 

Steuerung durch Haus-, Kinder- und Frauenärzte

Das KBV-Konzept sieht zur Regelversorgung vor, dass gesetzlich Krankenversicherte einen Vertragsarzt wählen, der als erster Ansprechpartner die Steuerung übernimmt und den weiteren Behandlungsverlauf koordiniert. Als Primärärzte sollen Hausärzte, Kinder- und Jugendärzte sowie Gynäkologen fungieren.

 

Patientinnen und Patienten, die beispielsweise unter einer schweren chronischen Erkrankung leiden, soll weiterhin der Direktzugang zu einem Facharzt ohne Überweisung möglich sein. Ebenfalls ohne Überweisung sollen Augenärzte und Psychotherapeuten aufgesucht sowie Termine für Impfungen und Früherkennungsuntersuchungen wahrgenommen werden können.

 

Steuerung ergänzt durch die 116117

Klar sei auch, dass nicht jede Patientin oder jeder Patient einer Steuerung bedürfe, betonte Gassen. Wenn sich ein junger gesunder Mensch beim Sport den Fuß verknackse, habe dieser häufig gar keinen Hausarzt. Für solche Fälle sollte die 116117 die erste Anlaufstelle sein, über die ein fachärztliches Terminangebot mit einer Termingarantie unterbreitet werden könne.

 

Versicherte, die weiterhin direkt und ungesteuert Fachärzte aufsuchten, sollten sich hingegen an den Kosten beteiligen, forderte Gassen. „Die Ausgestaltung und Abrechnung einer solchen Eigenbeteiligung hat die jeweilige Krankenkasse zu regeln.“

 

Vorhaltefinanzierung für Termine

Für die Bereitstellung der Termine, die über die 116117 vermittelt werden, sieht das KBV-Konzept eine Vorhaltefinanzierung vor. Diese sei nötig, damit den Praxen bei Nichtvergabe oder Nichterscheinen des Patienten keine finanziellen Nachteile entstünden, erläuterte der KBV-Chef. Zudem müssten die Leistungen der steuernden Ärzte entsprechend finanziert und sämtliche Behandlungen, die Fachärzte auf Basis einer Überweisung oder einer Vermittlung durch die 116117 durchführen, extrabudgetär vergütet werden.

 

„Es wird mit der Politik zu besprechen sein, was Steuerung kann und was angesichts der Zahlen und Fakten in der Versorgung und der demografischen Entwicklung wirklich dringend erforderlich ist“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister. Er konstatierte, dass es der Goldstandard sei und bleibe, dass ein Patient eine feste Praxis als Ansprechpartner habe. Grundsätzlich sei die Steuerung eines Patienten hausärztliche Kernaufgabe.

 

Hofmeister: Kein Spielraum für Honorarumverteilungen

Hofmeister hatte zuvor deutlich gemacht, wie wichtig die beschlossene hausärztliche Entbudgetierung sei, und dass es im hausärztlichen Bereich keinen Spielraum für relevante Honorarumverteilung gebe. Bezogen auf die neuen Pauschalen für Hausärztinnen und Hausärzte sagte er, das Gesetz sei jetzt so, wie es ist und man müsse damit arbeiten. Der inzwischen vorgelegte erste Entwurf des GKV-Spitzenverbandes zur neuen Vorhaltepauschale bestätige auf erschreckende Weise, wovor man gewarnt habe.

 

Bei den Verhandlungen im Bewertungsausschuss setze die KBV alles daran, dass durch die gesetzlich vorgegebene Umverteilung die hausärztliche Praxislandschaft „nicht chaotisiert wird“. Hofmeister betonte ausdrücklich, dass die Pauschalen nicht von der KBV gefordert wurden, „weil sie unter der Maßgabe der Kostenneutralität nur neue, schärfere Regeln bei gleichem Geld schaffen.“

 

Kontroverse Aussprache

Zu einer Kontroverse in der Aussprache kam es zwischen Hausärztinnen- und Hausärzteverbandsvorsitzenden, Dr. Markus Beier, und KBV-Vorstand Dr. Stephan Hofmeister. Beier warf dem KBV-Vorstand in einem energischen Wortbeitrag vor, sich „nur völlig ungenügend“ um die Belange und Sorgen der Hausärztinnen und Hausärzte zu kümmern. Besonders das Thema „Entbudgetierung interessiere den KBV-Vorstand nicht.

 

Die KBV habe bei den Verhandlungen zur Entbudgetierung kein gutes Bild abgegeben und die Entwicklung eher blockiert und sich dann nur für eine Entbudgetierung im Rahmen der MGV eingesetzt. „Das wäre zum Schaden der Hausärzte gewesen und zeigt, wie wenig Interesse hier an der Situation der Kollegen besteht“, so Beier.

 

Appell an die neue Bundesregierung

Gassen warnte insgesamt vor weiteren Einsparungen in der ambulanten Versorgung. Mit nur 16 Prozent der GKV-Ausgaben schulterten die Praxen etwa 95 Prozent der Versorgung, und sie seien damit nicht der Kostentreiber im Gesundheitswesen. Er widersprach dem vom GKV-Spitzenverband geforderten sofortigen Ausgabenmoratorium und weitgehenden Verzicht auf Preis- und Honorarerhöhungen.

 

Der KBV-Chef appellierte an die neue Bundesregierung: „Lassen Sie uns gemeinsam an einem starken Gesundheitswesen und für den Erhalt unseres Praxenlandes arbeiten!“ Davon profitiere jeder Einzelne - vor allem auch eine Wirtschaft in der Rezession.

 

Digital und nah

Positionen und Anforderungen für eine weitere Digitalisierung in der ambulanten Versorgung hat die Vertreterversammlung der KBV in Leipzig beschlossen. Zu den Kernforderungen gehören eine stabile Telematikinfrastruktur, benutzerfreundliche Anwendungen und ein Förderprogramm, damit Praxen in moderne Informationstechnologien investieren können.

 

Die ambulante Versorgung mit ihren rund 99.000 Praxen sei der mit Abstand am Stärksten digitalisierte Bereich im Gesundheitswesen, heißt es in dem Positionspapier „Digital und nah“. KBV und Kassenärztliche Vereinigungen hätten den Anspruch, gemeinsam mit den Vertragsärzten und Vertragspsychotherapeuten die Digitalisierung im Gesundheitswesen weiter voranzubringen und aktiv mitzugestalten.

 

Noch fehlten an vielen Stellen innovative Technologien, die die Versorgung wirklich unterstützten und entlasteten. Nicht selten würden den Praxen digitale Anwendungen per Gesetz und unter Sanktionsandrohung „verordnet“. Hinzu käme ein erheblicher Investitionsstau. Aber auch der schleppende Netzausbau in Deutschland belaste die Praxen.

 

Steiner: Wir haben klare Zielvorstellungen

„Für die vertragsärztliche und vertragspsychotherapeutische Versorgung haben wir klare Zielvorstellungen“, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner vor der Vertreterversammlung. So müssten digitale Verordnungen zukünftig alle Bereiche verordneter Leistungen umfassen. Telemedizinische Angebote wie Videosprechstunden, Telekonsile und Telemonitoring sollten als wertvolle Ergänzung der Behandlung in der Praxis ausgebaut werden - ebenso die sichere digitale Kommunikation, zum Beispiel mit den Krankenhäusern.

 

Neue Möglichkeiten böte auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Entsprechende Produkte würden mehr und mehr in Praxen zum Einsatz kommen, konstatierte Steiner. Zur Unterstützung der Ärzte und Psychotherapeuten hat die KBV aktuell Hinweise zum Einsatz von KI in der Praxis veröffentlicht.

 

Kernforderungen zum Ausbau der Digitalisierung

Um die Ziele zu erreichen, seien bestimmte Anforderungen erforderlich, betonte Steiner. Zu den Kernforderungen gehört demnach ein finanzielles Förderprogramm in Form eines Praxiszukunftsgesetzes. Es schaffe die Voraussetzungen, dass Praxen in moderne Informationstechnologien investieren und bei Bedarf zu einem innovativen Praxisverwaltungssystem wechseln könnten.

 

Der weitere Digitalisierungsprozess müsse zudem mit gezielten Anreizen statt Sanktionen vorangetrieben werden. Sanktionen beim Honorar und Kürzungen bei der TI-Pauschale seien abzuschaffen. Damit sich die Praxen nicht nur untereinander digital vernetzen könnten, müsse die Digitalisierung in allen Bereichen der Gesundheit und Pflege schnellstens vorangetrieben werden.